Vor 100 Jahren regte Max M. Warburg die Gründung des Übersee-Clubs an. Wer war der Mann, dessen Ideen den Club bis heute prägen?
Sein Porträt hängt in der Halle des Amsinck-Hauses am Hamburger Jungfernstieg, sein klarer Blick wacht noch immer über dem Geschehen: Max M. Warburg, geboren am 5. Juni 1867 in Hamburg, hat den Übersee-Club im Jahr 1922 als „Gesellschaft für wirtschaftlichen Aufbau und Auslandskunde (Übersee-Club)“ gegründet, und er ist nicht nur mit seinem Bild, sondern auch mit seinen Ideen und Visionen bis heute im Club präsent.
Warburg, Spitzname „Der Geldphilosoph von Hamburg“, entstammte einer in Norddeutschland ansässigen jüdischen Bankdynastie. 1910, mit 43 Jahren, übernahm er das familieneigene Bankhaus M. M. Warburg & Co und baute es zu einem Finanzinstitut von Weltruf aus. Als begnadeter Netzwerker begründete er zusammen mit dem Reeder Albert Ballin den internationalen Erfolg der Hapag, beriet Kaiser Wilhelm II., saß im Zentralausschuss der Reichsbank und wurde als Finanzsachverständiger in die deutsche Delegation für die Friedensverhandlungen in Versailles berufen. Warburg spürte, dass es in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg zu einem auch weltanschaulich-politischen Neuanfang kommen müsse. Als ein Element einer solchen Aufbruchsoffensive begriff Max Warburg den Übersee-Club, der sich für „neues Denken“ und Freihandel einsetzen sollte, eine aus heutiger Sicht weitblickende Perspektive.
Warburg war ein Mann mit einem untrüglichen Gespür für Finanzen und Politik. Als Jude hatte er aber auch seit früher Jugend erleben müssen, dass er nicht richtig „dazugehörte“. Diese Ressentiments führten unter anderem dazu, dass Warburg am 27. Juni 1922, dem Tag der Gründung des Übersee-Clubs, seine programmatische Rede nicht persönlich vortragen konnte. Warburgs Leben war akut bedroht, sein Name stand auf der Todesliste einer rechtsradikalen Terrorgruppe, die wenige Tage zuvor Deutschlands Außenminister Walther Rathenau erschossen hatte. Zur Sicherheit ging Warburg für mehrere Monate in die USA.
Warburg hatte die Weichen für den Übersee-Club gestellt – die Handelskammer überzeugt, Mitspieler gewonnen, ein Programm entworfen. Doch den Text seiner Gründungsrede musste an seiner Stelle Oberlandesgerichtsrat Wolfgang Fehling verlesen. Die erste, vordringliche Aufgabe des Übersee-Clubs war für Warburg die Bildung einer „Interessengemeinschaft“ – einer Zweckgemeinschaft „aller, die wirtschaftliche Ausbildung und wirtschaftlichen Nachrichtendienst planvoll betreiben“. Mit den Instrumenten des Hafens, der Handelsflotte und der Küstenindustrie, aber auch unter Einbeziehung der Wissenschaft solle eine „einheitliche weltpolitische und weltwirtschaftliche Auffassung gefördert“ werden. Was Warburg in seiner Programmatik noch zu sagen hatte, lesen Sie auf der Website des Übersee-Clubs, wo die legendäre Rede vollständig dokumentiert ist.
So sehr Warburg – in seiner Gründungsrede ebenso wie in seinem gesamten Wirken – den weltoffenen hanseatischen Kaufmannsgeist auch beschwor: Deutschland entwickelte sich bedauerlicherweise in eine vollkommen andere Richtung. Die Nationalsozialisten regierten ab 1933, und ihre wahnhafte Politik, basierend auf dem Hass auf Juden, führte dazu, dass Warburg, der mit ganzem Herzen an Hamburg hing, mit seiner Frau Alice nach New York emigrieren musste, wo er an Weihnachten 1946 starb. Seine Ideen aber, seine Visionen und seine Überzeugungen haben sich als identitätsstiftend erwiesen. Sie sind der DNA des Übersee-Clubs bis heute fest eingeschrieben.